Handwerkskammer Koblenz informiert über Rahmenbedingungen der Wiederaufbauhilfen, Einsatz von Fördermitteln über Gutachten in handwerkliche Leistungen und deren Abrechnung.Wiederaufbau des Ahrtals ist nun Sache des Fachhandwerks
Nach der Hochwasserkatastrophe und den folgenden Aufräumarbeiten ist längst die Phase des Wiederaufbaus im Ahrtal angelaufen. „Die ehrenamtlichen Helfer haben auf dem Weg dahin einen sehr starken und sehr wichtigen Beitrag geleistet“, lobt die Spitze der Handwerkskammer (HwK) Koblenz. „Ohne diese Hilfestellungen wäre das Ahrtal in seinem Wiederaufbauprozess längst nicht da, wo wir aktuell stehen“, stellen HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich und Präsident Kurt Krautscheid klar. Beide leiten seit Monaten die regelmäßigen Jour Fix-Runden in der Ahr-Akademie mit Mitgliedern der Krisenstäbe, Entwicklungs- und Energieagenturen, handwerklichen Organisationen, Energieversorgern, Bürgermeistern oder freiwilligen Helfern. Die dabei ausgetauschten Informationen aus erster Hand lieferten wichtige Anhaltspunkte zu Sachstand und Fortschritt, aber auch zu Engpässen und Lösungsansätzen bei deren Beseitigung.
„Die momentane Bearbeitung der Flutschäden ist eindeutig Sache des Fachhandwerks. Denn Arbeiten an der Energieversorgung, der Elektrik oder an den Heizungssystemen mit Verbrennung, sind ausschließlich von Fachbetrieben mit Meisterqualifikation durchzuführen.“ Das hat auch eine juristische Dimension, „denn nur der Fachhandwerker gibt auch Gewährleistung für seine Arbeit – bei Fehlern oder Schlechtleistung wird kostenlos nachgebessert.“ Im Dialog mit den Organisatoren der freiwilligen Helfer besteht hohes Interesse an einer korrekten Abgrenzung zwischen Nachbarschaftshilfe, ehrenamtlichem Engagement und einer faktischen Beschäftigung.
Für gefahrgeneigte Tätigkeiten gibt es außerdem besondere Vorschriften. So darf ein Anschluss an das Gas- oder Elektronetz nur von besonders durch die Energieversorger zugelassene Personen durchgeführt werden. Deswegen wird auch zum Schutz und der juristischen Absicherung der freiwilligen Helfer deutlich darauf hingewiesen, dass elektrische Installationen oder Arbeiten an Heizungssystemen Sache des Fachhandwerks sind. Sollte es zu materiellen Schäden oder gar Verletzungen Dritter kommen, haften sonst unter Umständen die Freiwilligen. „Das Thema Versicherungsschutz und Haftung ist hier nicht zu unterschätzen“, unterstreicht HwK-Justiziarin Susanne Terhorst. Dabei spielt die Definition der ehrenamtlichen Tätigkeit eine entscheidende Rolle, die immer Gemeinnützigkeit voraussetzt. Auch nach Aussage der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei ist der eigentliche Notfall nun beendet und Nachbarschaftshilfe setzt klassischerweise eine persönliche Beziehung im weitesten Sinne voraus. Bei vielem, was im Ahrtal momentan geleistet wird, sind deswegen die rechtlichen Fragen vielschichtig und im Einzelfall zu beurteilen.“
Auch die Meinung, mit dem Einsatz ehrenamtlicher Hilfe, ließe sich Geld sparen, ist ein Trugschluss. „Mit Vorlage eines Gutachtens kann die Bund-Länder-Förderung beantragt werden. Liegt keine Versicherung vor, werden 80 Prozent der gutachterlich bestätigten Kosten ausgezahlt“, so Terhorst und weiß, dass diese Verfahrensweise den meisten Betroffenen bekannt ist. Die restlichen 20 Prozent müssen selbst aufgebracht werden. Hierfür können finanzielle Spenden oder Versicherungsleistungen verwendet werden.
Weniger bekannt aber ist: werden kostenlose Hilfeleistungen in Anspruch genommen, reduzieren sich letztlich die Wiederaufbaukosten. „Da am Ende über eine Dokumentation der Verwendungsnachweise abgerechnet wird – mit Ausnahme des Hausrats – spielt hier das Vorlegen entsprechender Rechnungen eine wichtige Rolle. Dieser Verwendungsnachweis besteht aus einem Sachbericht und einer Belegliste. Wer keine Nachweise erbringt, muss Geld zurückzahlen! Also ist die Beauftragung eines Fachhandwerkers auch mit Blick auf die Kostensituation kein Nachteil. Qualität und Gewährleistung kann ohnehin nur der eingetragene Fachhandwerker übernehmen.“ Zumal gerade jetzt die Basis für weitere Arbeiten an den beschädigten Häusern gelegt wird. „Sollte sich später herausstellen, dass die grundlegenden Reparaturen fehlerhaft ausgeführt wurden, müssen diese Mängel beseitigt werden, was zusätzlich Geld und auch Zeit kostet. Die Kosten für solche Reparaturen werden nicht von der Wiederaufbauhilfe abgedeckt“. Sollte der Fachhandwerker bei seinen Arbeiten feststellen, dass die im Gutachten genannten Kosten aufgrund notwendiger Arbeiten überschritten werden, wird die Fördersumme nach oben angepasst. „Auch hier ist die rechtliche Auslegung eindeutig: Nicht die Wahrnehmung eines Hobby-Handwerkers zählt, sondern nur die Einschätzung einer fachkundigen Person.“
Dabei hilft die Handwerkskammer mit ihrem Internetportal www.handwerk-baut-auf.de bei der Suche nach Gutachtern und Fachhandwerkern, die sich aus ganz Deutschland zur Unterstützung des Wiederaufbaus in der Datenbank angemeldet haben. „Aktuell sind es 1.400 – und es werden täglich mehr! Wir prüfen im Vorfeld einer Eintragung, ob alle Kriterien durch die helfenden Handwerker erfüllt werden – sprich: Eintragung bei einer Handwerkskammer und Meisterqualifikation, wenn diese Voraussetzung für das Führen eines Betriebes ist.“
Hilfsangebote und Fachleistungen sind also durchaus da „und wir unternehmen große Anstrengungen, das auch noch stärker bei den Betroffenen bekannt zu machen“, so Ralf Hellrich, der auch weiß, dass einige der im Internet angebotenen Leistungen durchaus gefragt sind, aber noch nicht abgerufen wurden. „Unsere Botschaft ist also: das Handwerk steht an der Seite des Ahrtals! Einige Klicks im Internet reichen, und die Handwerker rücken ein.“ Die Internetseite „handwerk-baut-auf.de“ wird parallel zu den laufenden Arbeiten weiterentwickelt und permanent an die geforderten Leistungen angepasst. „Hier arbeiten mehrere Handwerksorganisationen eng zusammen und wir sichern so fortlaufende handwerkliche Unterstützung aus ganz Deutschland zu. Denn auch das ist eine wichtige Botschaft an alle Betroffenen im Ahrtal: wir dürfen nicht nachlassen mit unseren Anstrengungen, die Lebensverhältnisse dort möglichst schnell zu verbessern. Das verbindet uns alle - ehrenamtliche Hilfe, Unterstützung durch Fachhandwerker und die von der Flut betroffenen Menschen.“
Fakten zum Verfahren der Schadensregulierung:
- Gutachter beauftragen, der die Schadenssumme ermittelt
- Antrag auf Wiederaufbauhilfe stellen (80 Prozent bei Unversicherten, 100 Prozent bei Versicherten)
- Fachhandwerker beauftragen, die für Arbeiten und Geräte eine Gewährleistung übernehmen und entsprechende Rechnungen ausstellen
- Rechnungen dienen auch als Verwendungsnachweis
- nach Abschluss der Wiederaufbauarbeiten Einreichen der Verwendungsnachweise, nach denen die Fördermittel abgerechnet werden
- Sollten dringend erforderliche Arbeiten die im Gutachten ermittelten Kosten übersteigen, wird die Förderleistung angepasst
25.11.2021