31.07.2024Später Einstieg ins Handwerk möglich: Papa ist mit 30 Azubi in Teilzeit
Auf die Bank aus Massivholz ist Daniel Jungbluth sichtlich stolz: „Die wird jetzt noch lackiert, dann ist sie fertig“, erklärt er und posiert bewusst nur mit ausgeschaltetem Schleifgerät fürs Foto. Immerhin hat er viele Stunden daran gearbeitet, bis aus der groben Eschenholzbohle eine schlicht-elegante Bank wurde. Ein selbstgebautes Möbelstück zu präsentieren, macht ihn glücklich und bestätigt ihm, dass es richtig war, sein Leben mit 30 Jahren komplett umzukrempeln.
Nach der Schule hatte Daniel Jungbluth zunächst einen anderen Weg eingeschlagen: In der Nähe von Mainz aufgewachsen, machte er eine dreijährige Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration, arbeitete erfolgreich in leitender Position. Nach einigen Jahren spürte er aber, dass ihn dieser Beruf nicht erfüllt und hörte auf sein Bauchgefühl. Das führte ihn direkt in eine Schreinerei. „Mein Vater ist Tischlermeister. Er hatte mir abgeraten, nach der Schule die gleiche Ausbildung zu machen, weil er das Handwerk zu seiner Zeit als ,Knochenjob’ erfahren hat.“ Trotzdem steckte Jungbluth das Arbeiten mit Holz wohl einfach im Blut. Schon als Kind hatte er gern in der Werkstatt des Vaters mitgewerkelt, bekam dort früh eine eigene Werkbank.
Als Erwachsener wurde das Bauen von Möbeln oder Reparaturen für Bekannte in der eigenen kleinen Werkstatt zu seinem Hobby. Das machte sich bezahlt, als er nun den Sprung in ein zweites Arbeitsleben wagte. „Meine Frau und ich sind 2015 und 2017 Eltern geworden. In meinem früheren Job war ich viel unterwegs, das hat nun nicht mehr zu meinem Leben gepasst.“ 2022 nahm er Elternzeit, die er auch dafür nutzte, in einer Schreinerei auszuhelfen. Die Arbeit begeisterte ihn und nachdem er seine Pläne mit seiner Frau besprochen hatte, bewarb er sich bei der Holzwerkstätte Kutzner&Ritzdorf in Bad Breisig. Dieses Unternehmen hatte ihm Claudia Wildermann vermittelt, die als engagierter Ausbildungscoach der Handwerkskammer Koblenz ein hervorragendes Gespür dafür hat, welche Unternehmen und Ausbildungswilligen zueinander passen.
Tatsächlich brauchte Jungbluth besonders offene Arbeitgeber: Er ist vergleichsweise alt als Einsteiger und absolviert seine Ausbildung in Teilzeit, da er sich die Kindererziehung mit seiner Frau teilt. Außerdem ist er direkt im zweiten Lehrjahr eingestiegen, da seine Ausbildung auf zwei Jahre verkürzt ist. „Normalerweise sind wir bei Teilzeitjobs skeptisch, aber dann haben wir gedacht, wir machen das. Daniel hat auf Fotos gezeigt, was er bereits allein hergestellt hat. Das sah gut aus. Außerdem hat er ein hervorragendes Verständnis für CNC-Maschinen“, erklärt Chef Mike Kutzner. Und der andere Chef Martin Ritzdorf ergänzt: „Durch unsere Vielfalt sind wir flexibel. Er kann an seinem vollen Arbeitstag auf Baustellen arbeiten und an halben Tagen in der Werkstatthalle, um sich mittags pünktlich um die Töchter zu kümmern.“ Nach mittlerweile einem Jahr sind alle hochzufrieden: Jungbluth liebt seine neue Arbeitswelt und die Chefs freuen sich über den außergewöhnlich wissbegierigen, selbstständigen Azubi, der später auf jeden Fall den Meister machen will.
Informationen zur Ausbildung in Teilzeit gibt es bei der HwK Koblenz: ausbildung@hwk-koblenz.de, Telefon 0261 398-333
Zum Hintergrund:
Eine Ausbildung in Teilzeit ist seit 2020 keine Ausnahmeregelung mehr, sondern grundsätzlich für alle zulässig. Im Detail erläutert die Arbeitsgemeinschaft (AG) der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz, dass bei der Teilzeitausbildung die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit inklusive Berufsschule nach Bedarf um bis zu 50 Prozent verkürzt werden kann. So kann man die Ausbildung optimal anpassen. „Es muss gewährleistet sein, dass die Auszubildenden trotz Kürzung der betrieblichen Ausbildung mit den Betriebsabläufen und Ausbildungsinhalten vertraut gemacht werden“, erklärt die AG dazu. Die Kurse der überbetrieblichen Ausbildung sind zu 100 Prozent zu besuchen. Weiter Informationen unter: handwerk-rlp.de/ausbildung-in-teilzeit