10.02.2023 - HwK-Team um Chef Ralf Hellrich informiert sich in Handwerksbetrieben zum Stand der WiederaufbauarbeitenMutmacher entlang der Ahr
Die Zeitrechnung im Ahrtal gliedert sich in "vor der Flut" und "nach der Flut“. Das "danach" ist stark geprägt vom Wiederaufbau. Handwerksbetriebe spielen dabei eine zentrale Rolle – als Aufbauer wie auch Flutbetroffene.
Rund 600 Handwerksbetriebe entlang der Ahr meldeten nach der Flut im Sommer 2021 "Land unter". „Die Zerstörungen waren enorm und natürlich stand die Frage im Raum: "Wo fängst du in diesem Chaos an, wie kriegst du das in den Griff?", beschreibt Tischlermeister Thomas Nelles aus Bad Neuenahr-Ahrweiler die Situation nach der Flut gegenüber Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HwK) Koblenz. Der ist mit einem Kollegenteam auf Walking-Tour und tauscht sich mit flutbetroffenen Handwerkern zum Stand der Wiederaufbauarbeiten aus, will wissen, wie es läuft, wo es klemmt und wie die Kammer helfen kann, Probleme zu lösen.
Will Thomas Nelles zeigen, wo in der Firma das Wasser stand, muss er sich recken und den Arm Richtung Decke ausstrecken. Wie hier hat es viele andere Betriebe erwischt. Über Nacht wurden Vorzeigeunternehmen zum Schrottplatz. "Doch auch am Morgen danach waren wir Unternehmer, nicht Unterlasser", sagt Nelles. Die ganze Familie, Mitarbeiter, Freunde und viele Helfer räumten auf und legten den Grundstein für einen erfolgreichen Neustart. Wobei die Kunden in der Priorisierung auf Platz eins standen. Um deren Probleme zu lösen, musste die eigene Fertigung schnellstmöglich anlaufen. Die präsentiert sich längst wieder in Topform, nur der Ausstellungsraum wird noch ein wenig Zeit brauchen. Ein typisches Phänomen des Ahr-Handwerks nach der Katastrophe: Man war für die Kunden da und stellte eigene Ansprüche hintenan.
Die Totalsanierung der Betriebe wurde ihrerseits genutzt, alles auf den neuesten Stand zu bringen. So im Geschäft von "Optik Eberle", das mit seiner Einrichtung in einem historischen Haus inmitten der Ahrweiler Stadtmauer beeindruckt. "Wir hatten das Gebäude zwei Monate vor der Flut gekauft, waren versichert", berichtet Thorsten Hermann, der zusammen mit Ehefrau Cornelia und fünf Mitarbeitern das Team stellt. Modern, ansprechend und technisch auf höchstem Niveau werden seit November 2022 wieder Kunden im Stammhaus versorgt. Zuvor hat man alle Leistungen aus einem Provisorium angeboten und war so schon direkt nach der Flut wieder für die Kunden da.
Wenige Meter weiter ist die Café-Konditorei und Bäckerei Schragen bis auf den letzten Platz gefüllt. Auch hier hat die Inhaberfamilie nach der Flutkatastrophe entschieden: wenn Wiederaufbau, dann richtig. Selbst ein Holzbackofen zählt nun zur Neuausstattung. "Die Kunden danken es uns. Nicht nur die Produkte sind stark gefragt, es gibt auch viel Anerkennung für die Entscheidung, den Betrieb hier fortzuführen", erklärt Jaqueline Schragen. Das gilt auch für die Fleischerei von Horst Albrecht. Er hat seinen Verkauf, wenige Meter entfernt von der Ahr in Bad Neuenahr, wieder aufgebaut, sogar vergrößert. Die Kundenresonanz ist gut, der Laden stark frequentiert.
Auf der anderen Straßenseite betreibt Bäckermeister Klaus Feuser sein Restaurant "Luthers". Ambiente und Einrichtung beeindrucken – in weiten Teilen erstellt durch die "Schreinerei Nelles". Das ist sinnbildhaft für die Solidarität – auch unter Handwerkskollegen. Man packt gemeinsam an und hilft sich.
Das berichtet genauso Felix Cestnik, Chef im Metallbaubetrieb "Meta-Bau Cestnik". Bei ihm verursachten die Wassermassen ebenfalls einen Totalschaden, doch längst zählen er und sein Team mit ihren Türen, Fenstern oder Fassadenverkleidungen zu den verlässlichen Neugestaltern des Tals. Die Händler und Hersteller von Produktionsmaschinen erhalten von Cestnik und vielen anderen Handwerkern gute Noten: "Wir erfuhren bevorzugte Behandlung. Andere Kunden sind zugunsten des Ahrtals bei der anstehenden Auslieferung von Maschinen zurückgetreten."
Die Hilfsbereitschaft unter Handwerkern lobt auch Paul-Adolf Knieps, der in Ahrweiler eine Tischlerei sowie ein Bestattungshaus in der vierten Generation führt. "Wir haben von Kollegen sofort Ersatzfahrzeuge gestellt bekommen, denn unsere Bestattungswagen wurden durch das Hochwasser zerstört." Die Tischlerei wird er nicht wieder aufbauen, doch der Bestattungsbereich wurde von Grund auf neu eingerichtet.
Der Umgang mit dem Tod – ein weiteres Thema, das sich auf dramatische Weise für immer mit der Flutkatastrophe verbindet. 134 Menschen verloren ihr Leben, zwei werden noch immer vermisst.
Das ist eine andere Dimension, als die der zerstörten Häuser oder Werkstätten. Die lassen sich immerhin wieder aufbauen, selbst wenn der Aufwand enorm ist. Das gilt auch für den Friseurbetrieb von Björn Franke, der an der Wand seines komplett überarbeiteten Salons in Ahrweiler eine dicke Linie gezogen hat – mehr als zwei Meter über dem Fußboden. So hoch stand das Wasser.
Doch hier ist der Neustart ebenfalls beeindruckend gut gelungen. Auf der anderen Seite der Ahrweiler Stadtmauer gilt das Gleiche für Friseur-Obermeister Daniel Röber. Er hatte mit der Lage seines Geschäfts Glück, denn das Wasser flutete "nur" den Keller und zerstörte die Heizung. "In der Flutnacht waren wir erste Anlaufstelle für viele Betroffene, die wir aufnahmen." Der Friseursalon als Notunterkunft – eine weitere Geschichte, die in jener Nacht geschrieben wurde. "Es macht Mut, wenn man die Entwicklungen der Betriebe in den zurückliegenden Monaten wie auch die Macher-Qualitäten ihrer Mitarbeiter sieht", fasst Ralf Hellrich nach den Gesprächen zusammen. Der Wiederaufbau bot eben auch Chancen, "die genutzt wurden. Unsere Handwerker können zu Recht stolz auf das Erreichte sein!"
Die Handwerkskammer weist in diesem Zusammenhang nochmals auf die Wiederaufbauhilfe unter www.handwerk-baut-auf.de hin. Mehr als 1.800 Handwerksbetriebe aus ganz Deutschland bieten hier ihre Unterstützung an und verfügen über freie Kapazitäten – übersichtlich nach Gewerken sortiert und durch die Handwerkskammern auf ihre Eintragung überprüft.
Mehr Informationen gibt bei der Handwerkskammer Koblenz, Dennis Sisterhenn, Tel. 0261/ 398-285, dennis.sisterhenn@hwk-koblenz.de