Foto von der Veranstaltung
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Gute Laune beim Ahr-Handwerk (von links Ralf Hellrich, Dörte Schall und Kurt Krautscheid) mit Blick auf die Ausbildungszahlen: nach der Flutkatastrophe 2021 gab es Sorgen, die Ausbildung in den Handwerksbetrieben würde nun runtergefahren aufgrund der vielfältigen Probleme, die es zu lösen galt. Stattdessen wurden Rekordwerte bei der Zahl neu abgeschlossener Lehrverträge erreicht, wobei sich auch das Projekt ‚Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal‘ deutlich bemerkbar machte.

16.08.2024Gute Nachrichten zur Ausbildungssituation im Ahr-Handwerk

 Von der Flutkatastrophe im Ahrtal vor drei Jahren waren auch rund 500 Handwerksbetriebe betroffen. In vielen wurde ausgebildet oder stand mit dem Beginn des neuen Ausbildungsjahres auch die Frage im Raum, ob eine Lehre unter den neuen Rahmenbedingungen überhaupt möglich sei. Was niemand ahnen konnte: bereits 2021 stieg die Zahl der Lehrlinge in Handwerksbetrieben entlang der Ahr deutlich. Zusätzlich kamen viele junge Helfer in die Krisenregion und wollten anpacken. „Diese Ausgangslage lief auf das Handwerk zu und wir haben unter anderem mit dem Arbeitsministerium das Projekt ‚Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal‘ initiiert, das gezielt interessierte Jugendliche über ein Praktikum hin zur handwerklichen Ausbildung führen sollte“, erinnert sich Ralf Hellrich als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HwK) Koblenz. Eine Idee, die sich zum Volltreffer entwickelte, wie jüngst die neue Arbeitsministerin Dörte Schall, Ralf Hellrich und HwK-Präsident Kurt Krautscheid im „Flutkrisenzentrum des Handwerks“ berichteten.

Die Ahr-Akademie der HwK wurde direkt nach der Flut zum Treffpunkt des handwerklichen Krisenstabes und war nun auch Veranstaltungsort der Pressekonferenz zum Projekt ‚Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal‘. Zuvor ging es bei einem Betriebsbesuch in der Schreinerei Mülligann in den Praxistest. Hier, in der Bad Neuenahrer Tischlerwerkstatt, spielte sich eine der vielen Erfolgsgeschichten des Projektes ab, denn der ehemalige Student Constantin Sper fand über die ‚Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal‘ nicht nur eine Lehrstelle, sondern auch seine eigentliche Berufung. „Im Verlauf meiner ersten Studiensemester merkte ich, dass ich doch lieber etwas Praktisches machen möchte. Die ‚Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal‘ war die perfekte Gelegenheit, mich im Handwerk auszuprobieren“, erklärte Sper, dessen Elternhaus selbst von der Flut betroffen war und der so auch direkte Kontakte mit dem wiederaufbauenden Handwerk hatte.

„Interesse an Handwerksberufen wecken und beim Wiederaufbau des Ahrtals anpacken: Das ist die Idee der Freiwilligen Aufbauzeit im Ahrtal. Gemeinsam mit der Handwerkskammer Koblenz haben wir ein Angebot entwickelt, das es jungen Menschen ermöglicht, neben dem sozialen Engagement für ihre Heimat auch handwerkliche Grundfähigkeiten zu erlernen und verschiedene Handwerksberufe kennenzulernen“, erklärte Arbeitsministerin Dörte Schall bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit und in der Handwerkskammer.

Das Projekt ‚Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal‘ bietet seit März 2022 jungen Menschen bis 27 Jahren die Chance, sich im Handwerk beruflich zu orientieren. Im Rahmen von Betriebspraktika haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich in den unterschiedlichsten Gewerken auszuprobieren, so als Maurer, Tischler, Fliesenleger oder Kfz-Mechatroniker. Seit Projektbeginn 2022 konnten 46 Teilnehmer Erfahrungen im Handwerk sammeln. Bisher wurden weit über 100 Praktika in rund 70 Handwerksbetrieben im Ahrtal absolviert. Das Angebot wird ergänzt durch eine fachpraktische Qualifizierung in den Lehrwerkstätten der Handwerkskammer Koblenz. Im Projekt stehen fortlaufend zwölf Plätze für Teilnehmer bis 27 Jahre zur Verfügung. Sie erhalten ein monatliches Entgelt von 470 Euro und eine Unterkunft. Auch Kosten für An- und Abreise zu Beginn und zum Ende des Projektes werden erstattet.

„Das Handwerk ist maßgeblich am Wiederaufbau im Ahrtal beteiligt und hält darüber hinaus für Nachwuchskräfte viele interessante wie erfolgsorientierte Zukunftsaussichten bereit. Das Angebot von 130 Ausbildungsberufen ist da und wir arbeiten mit vielfältigen Möglichkeiten, das Jugendlichen näher zu bringen – auch in Kombination aus Berufsfindung und Wiederaufbau durch das Handwerk“, erklärte Kurt Krautscheid, der durch die Pressekonferenz führte. Ralf Hellrich ergänzte: „Unser Projekt steht für eine Win-Win-Situation, denn Jugendliche, die sich gleichzeitig am Wiederaufbau beteiligen wollen, lernen potenzielle Ausbildungsbetriebe kennen und können sich in unterschiedlichen Handwerksberufen ausprobieren. Das kommt den jungen Menschen, dem Handwerk wie auch der Region zugute.“

Dafür stehen auch die aktuellen Ausbildungszahlen. Wurden im Landkreis Ahrweiler im Jahr vor der verheerenden Flut 262 neue Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen, stieg diese Zahl 2021 auf 273, dann 2022 sogar auf den Langzeithöchststand von 306. 2023 gab es 273 neue Ausbildungsverhältnisse „und aktuell liegen wir auf einem Kurs, der ein vergleichbares Ergebnis erwarten lässt. Das sind richtig gute Nachrichten. Das Projekt hat dabei seinen Beitrag geleistet“, so Hellrich.

„Mit der Aufbauzeit sind wir neue Wege bei der Berufsorientierung gegangen und haben gleichzeitig den Wiederaufbau in der Flutregion unterstützt. Viele der Teilnehmenden haben aus dem Projekt heraus eine Ausbildung im Handwerk begonnen. Sie sind die Fachkräfte von morgen, die mit ihrem Engagement und ihrem handwerklichen Geschick ihre Region auch in Zukunft voranbringen werden“, so Arbeitsministerin Schall.

Neben den interessierten Jugendlichen brauche es aber auch Handwerksbetriebe, die Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Über ihre Erfahrungen im Projekt berichteten Alexander Lehnhoff, Betriebsinhaber der Schreinerei Mülligann aus Bad Neuenahr-Ahrweiler und zugleich Ausbildungsmeister von Constantin Sper. „Nach anfänglicher Skepsis, ob ein solches zusätzliches Projekt wirklich etwas bringen kann, bin ich heute davon überzeugt: das hat uns wirklich weitergebracht. Sowohl uns als Betrieb wie auch Constantin profitieren. Das stärkt uns als Team im Unternehmen und ist natürlich auch eine wertvolle Verstärkung bei der Auftragsabwicklung. Und zu tun haben wir reichlich.“

Das zunächst für ein Jahr angesetzte Modellprojekt wurde zuletzt bis zum 31. Dezember 2024 verlängert. Im Jahr 2024 stellt das Land rund 149.000 Euro für die Umsetzung des Projekts zur Verfügung. Weitere 37.000 Euro werden von der Handwerkskammer Koblenz getragen.

Weitere Informationen bei der Handwerkskammer Koblenz, Pressestelle: joerg.diester@hwk-koblenz.de, Tel. 0261/ 398-161.

 



 

Jörg Diester
Leitung Pressestelle

Tel. 0261 398-161

joerg.diester--at--hwk-koblenz.de