Emilia Prytkina kam aus dem ukrainischen Kriegsgebiet in die Moselregion und brachte ihr berufliches Talent mit, hatte aber keine Möglichkeit, Zeugnisse auf die Flucht mitzunehmen. Bei der Handwerkskammer Koblenz hat sie nun nach einer Prüfung die Qualifikationsanalyse bestanden und ist damit anerkannte Konditorin.
20.04.2023 - Emilia Prytkina aus dem ukrainischen Charkiw besteht die erste Qualifikationsanalyse der Handwerkskammer Koblenz im Konditoren-HandwerkAls die süßen Dinge des Lebens weggebombt wurden
Bereits in den ersten Tagen des Krieges Rußlands gegen die Ukraine wurde Emilias Heimatstadt Charkiw angegriffen. Es tobten Straßenkämpfe und massive Luftangriffe, bei denen es viele Hundert Tote Zivilisten gab und über 1.000 Gebäude zerstört wurden. Von den 1,5 Millionen Einwohnern flohen eine Million, unter ihnen Emilia Prytkina. Die neue Heimat ist die Mosel-Region.
Viele Jahre hat sie in ihrer Heimat als Werbemanagerin gearbeitet. Schon damals hatte sie ein Herz für Süßwaren und Kuchen und absolvierte ab 2010 ein dreijähriges Fernstudium mit dem Abschlussdiplom als „Juniorspezialistin Lebensmittelproduktion“. Die Inhalte waren theorieorientiert, ergänzt durch selbständiges Praxislernen. Es folgte ein Besuch der renommierte Schokoladenakademie von Barry Callebaut im polnischen Lodz. Das war dann Grundlage für eine mehrjährige Tätigkeit als Chef-Konditorin in einem Fünf-Sterne-Hotel in Charkiw. Die dort gewonnene Expertise hat sie als Dozentin für Süßwaren und Pralinen 2016 bei einem Süßwarengroßhändler in Zagreb (Kroatien) und zwischen 2017 und 2022 in einer Kochschule in Charkiw weitergegeben.
Mit Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf ihre Heimat war es dann vorbei mit den süßen Dingen des Lebens – und dies im doppelten Sinn. Denn sowohl das berufliche wie auch das private Leben veränderte sich von heute auf morgen. Die Flucht vor dem Krieg führte Emilia Prytkina im Februar 2022 an die Mosel. In Cochem hat sie durch die Flüchtlingsarbeit der Handwerkskammer (HwK) Koblenz das Beratungsangebot des IQ-Netzwerkes kennengelernt. Das vom Bundesarbeitsministerium geförderte IQ-Projekt berät zu Möglichkeiten der Berufsanerkennung. Da Emilia Prytkina ihre langjährige Berufserfahrung nicht durch Zeugnisse belegen konnte, wurde zu einer sogenannten Qualifikationsanalyse geraten.
Vor wenigen Tagen hat sie im Zentrum für Ernährung und Gesundheit der HwK an zwei Arbeitstagen gezeigt, dass sie allen Anforderungen an eine Konditorin gewachsen ist: in zwölf Stunden musste sie zwei Torten, kleine Gerichte und Desserts, Teegebäck und Pralinen herstellen. Die Konditoren-Meister und Ausbilder der Handwerkskammer waren von den Ergebnissen überzeugt. Emilia Prytkina erhielt einen Bescheid über die Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation im Beruf Konditor und kann nun auch in Deutschland als Konditorin arbeiten. Im Juli wird sie ihren Sprachkurs absolviert haben und kann dann in ihrem neuen, alten Beruf loslegen.
„Das ist nicht nur eine fachliche und menschliche Verstärkung des Handwerks in einem Beruf, der dringend Fachkräfte sucht“, freut sich Stefan Gustav als Experte für Qualifikationsanalyse bei der Handwerkskammer Koblenz. „Es geht natürlich auch um ein Stück Normalität und das Gefühl, in der neuen Heimat willkommen zu sein und gebraucht zu werden. Die berufliche Anerkennung spielt dabei eine ganz wichtige Rolle.“
Mehr Informationen zum Thema Fachkräfte aus dem Ausland, Anerkennung und Integration gibt bei der Handwerkskammer Koblenz Stefan Gustav, Tel. 0261/ 398-309, stefan.gustav@hwk-koblenz.de
